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28.04.2015

Haushaltsrede der Fraktion DIE LINKE. Velbert zum Haushalt 2015

DIE LINKE sieht in dem vorliegenden Haushalt einen weiteren Schritt auf dem Weg der Selbstbeschränkung auf Pflichtaufgaben. Er belaste die Schwachen und schone die Starken. Es werde eine Salamitaktik in Richtung auf Zentralisierung von Städtischen Einrichtungen wie Stadtteilbüros und Stadtbibliotheken gefahren. Konkrete Kritik äußert Die Linke unter anderem auch an den gescheiterten Sekundarschulplänen, den Kürzungsplänen bei der Musik- und Kunstschule sowie der erneuten Ausklammerung der Gewerbesteuer. In den Augen der Linken braucht eine Stadt gute kulturelle und soziale Einrichtungen, um für Bürger und Unternehmen attraktiv zu sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bürgermeister,

auch diese Rede möchte ich mit einem großen Dank an die Verwaltung einleiten. Das ist mir ein Herzensanliegen. In jeder Haushaltsberatung wird neu von zusätzlichen Stelleneinsparungen gesprochen. Da haben einige nicht mitbekommen oder wollen es nicht wissen, wie knapp die Personaldecke bereits ist. Wie wichtig die geleisteten Aufgaben sind. Und was für eine Belastung das für die Beschäftigten bedeutet. Dennoch war die Verwaltung für uns immer ansprechbar und hilfreich. Dafür danken wir herzlich. Und wir werden auch künftig keinem Haushalt zustimmen, der keine verbesserte Situation für die Beschäftigten bringt.

Danken möchte ich aber auch Ihnen, Herr Lukrafka. Der Stärkungspakt war keine ausreichende Lösung der Unterfinanzierung der Kommunen. Er war nicht einmal eine ausreichende Hilfe zur Selbsthilfe. Das haben Sie in dankenswerter Klarheit festgestellt. Ich möchte anfügen: Der Stärkungspakt war eine Behinderung der Selbsthilfe. Jemandem die Beine fesseln und dann sagen „Lauf schneller”, das funktioniert nicht, auch wenn man Geld dazu gibt. Das ist die Politik, die bereits in Griechenland gescheitert ist. Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt und nicht der Hetze gegen angeblich faule Griechen glaubt, kann das wissen.

Echte Selbsthilfe muss auf zwei Säulen ruhen: Ausreichende Einnahmequellen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite muss die Kommune in den Punkten Personal, Immobilien und so weiter so ausgestattet sein, dass sie die kommunale Selbstverwaltung auch effektiv wahrnehmen kann.

Der sogenannte Stärkungspakt hat ein Almosen auf die erste Säule gelegt und dann die andere weggetreten. So wird kein ausgeglichener Haushalt gelingen und erst recht keine Schuldentilgung.

Die Rechnung des Kämmerers sagt etwas anderes, das wissen wir. Aber wir wissen auch, dass der Kämmerer einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen muss. Und dass viele Zahlen darin, wie auch in den vergangenen Jahren, auf Hoffnung gebaut sind. Da braucht nur die Konjunktur zu stottern, die Bevölkerungsentwicklung hinter den Erwartungen zurückbleiben oder ein einzelner großer Steuerzahler wegbrechen. Vor einem Jahr standen wir noch unter Haushaltssperre.

Was wir erleben ist, dass man mit gelegentlichen Einmalzahlungen — eine Neue wird gerade in Berlin auf den Weg gebracht — den Bankrott der Kommunen weiter hinausschiebt. Eine nachhaltige Reform der Kommunalfinanzen aber wird nicht angegangen. Die erste Säule bleibt deshalb zu schwach.

Die immer weitergehenden Streichungen am Personal und an den kommunalen Einrichtungen haben dazu geführt, dass die Lebensqualität in Velbert, die Attraktivität unserer Stadt leidet. Die Unzufriedenheit wächst. Wir kalkulieren mit stabilen Bevölkerungszahlen. Wir tun aber nichts, um die Menschen bei uns zu halten. Außer dem Ausweisen von Neubaugebieten für Einfamilienhäuser fällt den Verantwortlichen dazu nichts ein.

Das ist kein Zufall. Die Stadt hat einfach nicht mehr das Personal, um echte Visionen zu entwickeln und umzusetzen. Da werden bunte Konzepte und Versprechungen nur fürs Schaufenster gemacht. Wir verschleudern städtische Immobilien und sehen zu, wie andere den Gewinn damit machen.

Wir verpassen Gelegenheiten, wir verschenken Einnahmen. Das ist die zweite Säule, die von den Verantwortlichen, auch hier im Stadtrat, Stück für Stück abgebaut wird. Und das nicht erst seit dem Stärkungspakt.

Mangelnde Einnahmen, schrumpfende Handlungsfähigkeit. Und dann sind noch ca. 2/3 des Haushaltes in Töchter, Holdings usw. ausgegliedert. Das sind Gelder, über die der gewählte Rat kaum Informationen hat, kaum Informationen haben darf. Und auch die rund 190 Millionen des regulären Haushaltes sind ja zum allergrößten Teil durch Pflichtaufgaben gebunden, bei denen der Rat nicht viel zu entscheiden hat.

Es ist auch so, dass vor allem profitable Aufgaben ausgegliedert oder verkauft werden. Somit kann der Rat nur über den Ausgleich der Defizite, nicht über die Gewinnverwendung entscheiden.

Meine Damen und Herren, wir bewegen uns auf einen Punkt zu, an dem wir uns den Stadtrat sparen können. Und das ist kein Einsparvorschlag, das ist ein Demokratieproblem.

Und jetzt noch das Klinikum Niederberg. Meine Damen und Herren, was da unter dem Begriff „Strukturiertes Bieterverfahren” durchgewunken werden soll, ist nichts anderes als die Vorstufe zur Privatisierung. Haben Sie kollektiv die Niederberger Erklärung vergessen, die sie vor der letzten Wahl alle unterzeichnet haben?

Privatisierung im Gesundheitswesen bedeutet verschärfte Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und verschlechterte Leistung für die Patienten. Gut ist dieses Geschäft nur für die Krankenhauskonzerne. Das zeigt die Erfahrung in zahllosen Fällen. Auch so etwas, das man wissen kann, wenn man nur will. Gesundheit ist Menschenrecht. Gesundheit darf keine Ware sein.

Aber es gibt auch positives zu vermelden. Seit Jahren fordern wir, Flüchtlinge in Wohnungen statt in Heimen unterzubringen. Vor allem aus humanitären Gründen, aber auch, weil es günstiger ist. Inzwischen hat sich die Idee zumindest ansatzweise durchgesetzt. Wir fragen uns nur, warum das so lange dauern musste.

In den Bereichen Jugendgerichtshilfe sowie Pflege-und Wohnberatung sollen Aufgaben wieder in den Schoß der Stadt zurückgeholt werden. Obwohl wir das im Prinzip begrüßen würden, können wir den Vorschlägen der Verwaltung so nicht zustimmen. Diese Lösung zielt auf Personaleinsparung, Arbeitsverdichtung und würde das „Aus” für den erprobten und bewährten Ansatz der stadtteilbezogenen sozialen Arbeit bedeuten. Das halten wir für falsch, aber auch für unklug. Denn damit verzichten wir potentiell auf viele Fördergelder. Die Vorschläge der Träger, die diese Arbeit bisher gut gemacht haben, ermöglichen eine Fortführung der stadtteilbezogenen sozialen Arbeit. Diesen Standard müsste eine Lösung der Stadt ebenfalls erhalten.

Und Sie, Herr Böll-Schlereth möchten den gemeinsamen Gürtel enger schnallen und unseren Ferrari gegen einen Porsche tauschen. Als ich das in der Zeitung gelesen habe, konnte ich nur den Kopf schütteln. Sie vergleichen unsere Kunst- und Musikschule mit einem Luxusgut. Würde das zutreffen, würde ich Ihnen nicht nur zustimmen. Ich würde sagen: Es reicht auch ein Opel.

Aber das ist falsch. Wenn wir von der Kunst- und Musikschule reden, dann sprechen wir von Kultur, von Lebensqualität, von der Attraktivität unserer Stadt. Wir waren einmal die drei Bäderstadt. Wir sind immerhin noch die Stadt mit der besten Musikschule in NRW. Wenn Sie so weitermachen, sind wir bald eine Wüste mit Neubaugebieten und Autobahnanschluss. Was glauben Sie eigentlich, warum es sich lohnt, in Velbert zu leben?

Die Kunst- und Musikschule hat übrigens in den vergangenen Jahren den Mut bewiesen, der Ihnen fehlt: Die Kürzungen des städtischen Zuschusses wurden nicht durch Kürzung des Angebotes, sondern durch Ausweitung des Angebotes kompensiert. Auch das geht, meine Damen und Herren. Aber natürlich nicht unendlich. Die jetzt angedachten Kürzungen drohen hier, eine Negativspirale von eingeschränktem Angebot, einbrechenden Einnahmen und neuen Einschränkungen im Angebot in Gang zu setzen.

In das Forum Niederberg, auch eine Kultureinrichtung, soll ein privater Investor hineingenommen werden, der dort ein 5 Säle Kino einrichten will. Auch DIE LINKE will ein Kino für Velbert. Aber werden wir denn niemals schlau? Städtische Millionen ausgeben in der Hoffnung auf einen Großinvestor, der kommt, oder auch nicht, der bleibt oder auch nicht? Und wenn es schief geht, dann stehen wir da mit einem Gebäude, das sich wirklich für nichts anderes mehr verwenden lässt. Wie gehabt liegt das Risiko bei der Stadt, die Gewinnchance beim Investor.

Mit den Stadtbibliotheken ist eine weitere wesentliche Kultureinrichtung vom Rückbau betroffen. Zwar redet hier niemand von Schließung. Aber Räumlichkeiten und Öffnungszeiten werden zusammengestrichen. Das im Haushalt eingestellte Geld für die Erneuerung der Bücher ist vollkommen unzureichend. Am Ende wird es für ein ordentliches Angebot nur noch an einem Standort reichen.

Das gleiche Spiel wird auch bei den Bürgerbüros getrieben. Immer weniger Öffnungstage, immer weniger Leistungen. Die WAZ hat das treffend als Salamitaktik beschrieben. Immer noch ein Stückchen abbauen. Gerade soviel, dass niemand auf die Barrikaden geht. Aber am Ende ist dann doch alles weg.

In der Schulpolitik hingegen hat man wie ein Ertrinkender an der Sekundarschule festgehalten. Die Bevölkerung in Velbert will aber eine weitere Gesamtschule. Die Bevölkerung in Velbert-Neviges braucht eine weiterführende Schule. Dank Ihrer Schulpolitik fehlt uns nun beides. DIE LINKE steht weiterhin als einzige ohne Wenn und Aber zu einer Gesamtschule für Neviges.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Haushaltspolitik in unserer Stadt läuft darauf hinaus, eine Einrichtung unserer Stadt nach der anderen zu schleifen. Rückbau und Zentralisierung. Das ist ein Desaster. Dieser Haushalt schneidet eine weitere Scheibe ab von all dem, was unsere Stadt lebenswert macht.

Und dann höre ich: „Aber ist ja gut, dass wir die Gewerbesteuer nicht anfassen mussten”. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Eine reine Gewinnsteuer mit hohen Freibeträgen. Die einzige Stelle, an der wir getrost zulangen könnten. Da verschenken wir jedes Jahr Millionen. Den stärksten Schultern, den erfolgreichsten Unternehmen erlassen wir ihre Beteiligung an der Haushaltskonsolidierung. Ich erinnere mich noch, wie wir vor ein paar Jahren vergeblich darum gekämpft haben, wenigstens die 2.000 Euro für das Schulmittagessen armer Kinder im Haushalt stehen zu lassen. Dieses Jahr sind andere dran, aber es sind immer die Leistungen für Gering- und Normalverdienende, die gestrichen werden. Diejenigen, die nicht auf die öffentliche Hand angewiesen sind, kommen ein ums andere mal ungeschoren davon. Die Gewerbesteuer ist seit über 10 Jahren nicht angehoben worden. Und darauf sind Sie auch noch stolz.

Meine Damen und Herren, diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Aber sie macht hoffentlich deutlich, warum wir diesen Haushalt ablehnen. Er ist geprägt von Rückbau und Selbstbeschränkung. Von Mut- und Ideenlosigkeit. Er belastet die Schwachen und schont die Starken.

Einem solchen Haushalt können wir nicht zustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.