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Agenda 2010 ist unsozial - Ratsfrau der SPD zieht Konsequenzen

Nach fast zwanzigjähriger Mitgliedschaft verlässt die Velberter Ratsfrau Petra Pollmann ihre sozialdemokratische Heimat. Anlass für den sicherlich nicht leicht gefassten Entschluss war endgültig die Zustimmung der Delegierten auf dem SPD Sonderparteitag zur Agenda 2010 der Bundesregierung. Petra Pollmann ist Sachbearbeiterin bei der Flughafen Düsseldorf GmbH und vertritt dort als Betriebsrätin und ver.di Vertrauensfrau die Interessen der MitarbeiterInnen. Wir sprachen mit Frau Pollmann.

Schlüsselbund: Frau Pollmann, Sie stammen aus einer sozialdemokratischen Familie?
P. Pollmann: Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, der von SPD-Wählern geprägt war. 1984 trat ich aus Überzeugung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei, da ich in dieser Partei immer meine politische Heimat sah.
Schlüsselbund: Sie sind unzufrieden mit der SPD?
P. Pollmann: Mit großer Betroffenheit musste ich im Laufe der letzten Jahre - insbesondere in der Diskussion um die Agenda 2010 - feststellen, dass diese Partei soviel Mut zur Veränderung hat, dass sie gegen ihr eigenes Wahlprogramm verstößt, dass sie die Werte der Sozialdemokratie, für die unsere Väter und Urgroßväter ewige Zeiten gekämpft haben - Werte, auf die wir alle stolz sein konnten -, von heute auf morgen aus "Mut zur Veränderung" über den Haufen geworfen hat. Diese Partei kann das "Sozial" in ihrem Namen nicht mehr zu Recht tragen, denn sie ist nicht mehr die Partei der abhängig Beschäftigten und der sozial Schwachen.Diese Partei ist mit ihrem Mut zu einer Partei des Kapitals, das Sprachrohr der Wirtschaft, geworden und vergisst bei ihrem Bestreben zur Wirtschaftsförderung, dass auch der Sozialhilfeempfänger, der Arbeitslose, der Rentner und die Noch-Arbeitsplatz-Besitzer mit geringem Einkommen Wirtschaftsfaktoren sind.
Schlüsselbund: Gerhard Schröder forderte auf dem Parteitag die Bereitschaft zum "Wandel in der Mentalität". An wen war diese Forderung gerichtet? An den Personenkreis, den die Agenda 2010 noch weiter ins Abseits treibt? An sozial Schwache, Arbeitslose und Noch-Arbeitsplatz-Besitzer?
Sind Sie eine Reformgegnerin oder wollen Sie blockieren?
P. Pollmann: In der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, sind Reformen angezeigt und wichtig - aber kein Sozialraub in der Form. Ich bin davon überzeugt, dass auch dem letzten Zeitgenossen in diesem unserem Lande die desolate Situation klar ist. Jeder dürfte somit auch Verständnis für Einschnitte haben. Leider wird aber ausschließlich von dem vorgenannten Personenkreis Verständnis zum Verzicht erwartet.
Schlüsselbund: Der Staat ist pleite, wo sollen Ihrer Meinung nach Einschnitte gemacht werden?
P. Pollmann: Die Wirtschaftsbosse, die Millionäre und Besserverdienenden (wozu ja wohl ein großer Teil der Bevölkerung und letztlich auch unsere Abgeordneten und Minister gehören), haben für Einschnitte auf ihrer Seite kein Verständnis, sonst würde sich die Agenda 2010 nicht durch modernes Raubrittertum in Form von Sozialraub, sondern durch eine gleichmäsige und gerechte Verteilung der Lasten auszeichnen. Wäre fü,r eine gerechte Verteilung und somit für eine gerechte Reform Platz in den Köpfen der Agenda-2010-Verursacher gewesen, wären die Vorschläge der Gewerkschaften und Parteilinken berücksichtigt worden.
Schlüsselbund: Der Kanzler fordert einen Mentalitätswandel.
P. Pollmann: Der von Herrn Schröder geforderten Bereitschaft zum "Wandel in der Mentalität" kann ich meinerseits aus folgenden Gründen nicht Folge leisten. Ich bin Gewerkschafterin, NOCH Besitzerin eines "abhängigen Beschäftigungsverhältnisses" und nicht zuletzt alleinerziehende Mutter. Ferner fühle ich mich den Menschen gegenüber verpflichtet, die mich am Arbeitsplatz in den Betriebsrat gewählt, sowie den Menschen in meinem Wahlkreis, die mir bei der Kommunalwahl 1999 ihre Stimme gegeben haben. All dieses sind Gründe, die konträr zu meiner weiteren Mitgliedschaft unter diesen jetzt neu definierten Standards der Politik der SPD stehen und mit meinen Ansichten nicht mehr zu vereinbaren sind.
Schlüsselbund: Sie haben die SPD endgültig verlassen?
P. Pollmann: Bei dem geforderten Wandel in der Mentalität und dem von Werbefachmännern hervorgebrachten Slogan: "Mut zur Veränderung", hat sich diese SPD so weit verändert, dass sich ihr Gesicht nicht mehr von dem der CDU unterscheidet. Bei einer Fortsetzung meiner Mitgliedschaft unter den neu definierten politischen Standards der SPD müsste ich soviel Mut zur Veränderung aufbringen, dass ich mein Gesicht morgens im Spiegel nicht mehr erkennen kann.
Schlüsselbund: Werden Sie Ihr Ratsmandat behalten?
P. Pollmann: Über diese Frage habe ich noch nicht entschieden, das braucht Zeit und muss gut überlegt sein.
Schlüsselbund: Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer politischen und gewerkschaftlichen Arbeit.